Bundesgerichtshof hebt Urteil im Arzthaftungsprozess auf: Verletzung des rechtlichen Gehörs festgestellt
Karlsruhe, 2. Juli 2024 – Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem bedeutenden Arzthaftungsprozess das Urteil des Oberlandesgerichts Celle aufgehoben und den Fall zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Grund für die Entscheidung war eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Kläger, die schwere Behandlungsfehler bei der Geburt ihres Kindes geltend gemacht hatten.
Hintergrund des Falls
Die Kläger, Eltern eines wenige Tage nach der Geburt verstorbenen Kindes, werfen dem Krankenhaus und den behandelnden Ärzten vor, bei der Geburt und der anschließenden kinderärztlichen Behandlung gravierende Fehler gemacht zu haben. Insbesondere kritisieren sie, dass geburtseinleitende Maßnahmen zu spät begonnen und die Indikation für einen Kaiserschnitt zu spät gestellt wurden. Die Mutter hatte sich nach einem vorzeitigen Blasensprung in das Krankenhaus begeben, wo die Geburt erst nach über 30 Stunden durch einen Kaiserschnitt beendet wurde.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der BGH stellte fest, dass das Oberlandesgericht Celle den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt hat. Das Berufungsgericht hatte die Einwände der Kläger gegen das Sachverständigengutachten zurückgewiesen, ohne den Sachverständigen erneut anzuhören. Die Kläger hatten sich auf ein Lehrbuch berufen, das bei vorzeitigem Blasensprung und Streptokokkenbesiedlung ein abwartendes Geburtsmanagement als problematisch darstellt.
Begründung des Gerichts
Der BGH betonte, dass ein Gericht bei der Beurteilung fachlicher Fragen nicht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichten darf, es sei denn, es verfügt über eigene besondere Sachkunde. Zudem muss das Gericht den Parteien einen entsprechenden Hinweis geben, wenn es eigene Sachkunde in Anspruch nehmen will. Da das Berufungsgericht diese Anforderungen nicht erfüllte, wurde das Urteil aufgehoben.
Ausblick
Der Fall wird nun erneut vor dem Oberlandesgericht verhandelt. Der BGH hat klargestellt, dass die Gehörsverletzung entscheidungserheblich war, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht nach einer ergänzenden Anhörung des Sachverständigen zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des rechtlichen Gehörs in Gerichtsverfahren und die Notwendigkeit, fachliche Fragen durch Sachverständige klären zu lassen, um faire und fundierte Urteile zu gewährleisten.
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