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... aus der aktuellen Rechtsprechung ...

Ärztliche Aufklärungspflicht: OLG Karlsruhe spricht Eltern Schadensersatz zu

In einem aufsehenerregenden Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe am 19. Februar 2020 entschieden, dass Eltern ein Schadensersatzanspruch zusteht, wenn Ärzte ihre Aufklärungspflicht über mögliche schwere Behinderungen eines ungeborenen Kindes verletzen. Das Urteil (Az.: 7 U 139/16) bezieht sich auf einen Fall, in dem die Eltern eines Kindes mit einer Balkenagenesie nicht ausreichend über die Risiken informiert wurden, die mit dieser Diagnose verbunden sind.

Hintergrund des Falls

Die Kläger, ein Ehepaar, hatten sich während der Schwangerschaft in die Obhut einer spezialisierten Klinik begeben, um mögliche Schädigungen ihres ungeborenen Kindes frühzeitig zu erkennen. Bei einer MRT-Untersuchung wurde eine Balkenagenesie diagnostiziert, die mit weiteren Auffälligkeiten wie einer Falxhypoplasie und einem Hydrocephalus einherging. Die Ärzte versäumten es jedoch, die Eltern realistisch über die Möglichkeit einer schweren Behinderung aufzuklären.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Karlsruhe stellte fest, dass die Ärzte ihre Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt haben, indem sie die Eltern nicht ausreichend über die Risiken informierten. Der Senat war überzeugt, dass die Mutter bei Kenntnis der möglichen Behinderung die Schwangerschaft abgebrochen hätte. Aufgrund dieser Pflichtverletzung sprach das Gericht der Mutter ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro zu. Zudem wurden den Eltern Schadensersatz für den Betreuungs- und Barunterhalt sowie für den Pflegemehraufwand zugesprochen.

Bedeutung des Urteils

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der ärztlichen Aufklärungspflicht in der pränatalen Diagnostik. Ärzte müssen werdende Eltern umfassend über mögliche Risiken informieren, damit diese eine fundierte Entscheidung über den Fortgang der Schwangerschaft treffen können. Das Urteil könnte weitreichende Auswirkungen auf die Praxis der pränatalen Beratung haben und setzt einen klaren Standard für die Aufklärungspflichten von Ärzten.

Das Urteil des OLG Karlsruhe ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Rechte von Eltern in der pränatalen Diagnostik und könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle in der Zukunft dienen.

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Gerichtsurteil: Elternunterhalt und die Rolle der Sozialbehörden

Oldenburg, 25. Oktober 2012 – Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat in einem wegweisenden Beschluss (Az.: 14 UF 82/12) entschieden, dass ein Sozialhilfeträger nicht automatisch Regressansprüche gegen ein unterhaltspflichtiges Kind geltend machen kann, wenn die Bedürftigkeit eines Elternteils durch Versäumnisse der Sozialbehörden oder Betreuer verursacht wurde.

Hintergrund des Falls

Im vorliegenden Fall lebte die Mutter des Antragsgegners seit Jahren in Pflegeeinrichtungen und erhielt Sozialhilfeleistungen. Der Antragsgegner hatte bis 2010 freiwillig Unterhalt gezahlt, stellte die Zahlungen jedoch ein, nachdem die Antragstellerin, der Sozialhilfeträger, eine Erhöhung des Unterhalts forderte. Die Antragstellerin klagte auf rückständigen und laufenden Unterhalt.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Oldenburg wies die Beschwerde der Antragstellerin zurück und bestätigte den Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts Wilhelmshaven. Das Gericht stellte fest, dass die Bedürftigkeit der Mutter nicht ausreichend dargelegt wurde, insbesondere da fiktive Ansprüche auf Pflegegeld und Renteneinkünfte nicht berücksichtigt wurden. Zudem sei der Antragsgegner ab 2010 nicht leistungsfähig gewesen.

Wichtige Aspekte des Urteils

1.
Fiktive Ansprüche: Das Gericht berücksichtigte fiktive Ansprüche auf Pflegegeld, da die Mutter die Voraussetzungen der Pflegestufe I erfüllte, jedoch nicht in der sozialen Pflegeversicherung versichert war. Diese
fehlende Versicherung wurde als Versäumnis der Betreuerin und der Sozialbehörden gewertet.

2.
Kapitalwahlrecht: Die Ausübung des Kapitalwahlrechts einer privaten Rentenversicherung durch die Betreuerin, um Sozialleistungen zu refinanzieren, dürfe nicht zu Lasten des Antragsgegners gehen. Die Versicherung diente der
Altersvorsorge der Mutter und sollte nicht vorzeitig aufgebraucht werden.

3.
Leistungsfähigkeit: Der Antragsgegner war aufgrund rückläufiger Einkünfte aus seiner Fahrschule nicht in der Lage, den geforderten Unterhalt zu zahlen. Das Gericht berücksichtigte die tatsächlichen Einkommensverhältnisse
und die vorrangige Unterhaltspflicht gegenüber seiner Tochter.

Fazit

Dieses Urteil verdeutlicht die komplexen Wechselwirkungen zwischen Sozialrecht und Unterhaltsrecht. Es unterstreicht die Verantwortung der Sozialbehörden, ihre Beratungspflichten ernst zu nehmen und die Betroffenen umfassend zu unterstützen, um unbillige Härten für unterhaltspflichtige Angehörige zu vermeiden.

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OLG Celle: Versorgungsausgleich nach Tod des Ehepartners neu geregelt

In einem wegweisenden Beschluss hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle am 30. Oktober 2024 entschieden, dass der Versorgungsausgleich nach dem Tod eines ausgleichsberechtigten Ehepartners unter bestimmten Voraussetzungen vollständig revidiert werden kann. Der Beschluss (Aktenzeichen: 17 UF 124/23) betrifft die Bewertung von Anrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, insbesondere wenn besitzgeschützte Entgeltpunkte aus einer Erwerbsminderungsrente vorliegen.

Hintergrund des Falls

Der Antragsteller, dessen Ehe im Jahr 2002 geschieden wurde, beantragte die Abänderung des Versorgungsausgleichs nach dem Tod seiner früheren Ehefrau im Jahr 2008. Die Ehefrau hatte seit 2004 eine Erwerbsminderungsrente bezogen, die ab 2006 dauerhaft bewilligt wurde. Nach ihrem Tod zahlte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) keine Hinterbliebenenrente aus.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Celle entschied, dass eine Totalrevision des Versorgungsausgleichs möglich ist, wenn eine wesentliche Wertänderung zugunsten des ausgleichspflichtigen Ehepartners vorliegt. Diese Wertänderung muss die Wertgrenze des § 225 Abs. 3 FamFG überschreiten. Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass die besitzgeschützten Entgeltpunkte aus der Erwerbsminderungsrente der verstorbenen Ehefrau bei der Bewertung des Anrechts berücksichtigt werden müssen, auch wenn sie keine Altersrente bezogen hatte.

Auswirkungen der Entscheidung

Der Beschluss des OLG Celle hat weitreichende Konsequenzen für ähnliche Fälle, in denen der Versorgungsausgleich nach dem Tod eines Ehepartners überprüft werden soll. Die Entscheidung betont die Bedeutung der Berücksichtigung von besitzgeschützten Entgeltpunkten und könnte zu einer Neuregelung des Versorgungsausgleichs führen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

Weiteres Verfahren

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss wurde zugelassen, was darauf hindeutet, dass der Fall möglicherweise vor den Bundesgerichtshof (BGH) gebracht wird. Dies könnte zu einer weiteren Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Versorgungsausgleich nach dem Tod eines Ehepartners führen.

Der Beschluss des OLG Celle ist ein bedeutender Schritt in der Rechtsprechung zum Versorgungsausgleich und könnte als Präzedenzfall für zukünftige Entscheidungen dienen.

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Unterhaltsstreit vor dem BGH: Ein wegweisendes Urteil

Am 19. Februar 2003 fällte der Bundesgerichtshof (BGH) ein bedeutendes Urteil im Bereich des Unterhaltsrechts, das weitreichende Auswirkungen auf die Berechnung von Trennungs- und Kindesunterhalt haben könnte. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Frage, wie Investitionszulagen und steuerliche Sonderabschreibungen im unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen eines Selbständigen zu berücksichtigen sind.

Hintergrund des Falls

Die Klägerin, die seit 1996 von ihrem Ehemann getrennt lebt, forderte Trennungsunterhalt für sich und Kindesunterhalt für die gemeinsamen Kinder. Der Beklagte, ein selbständiger Betreiber einer Baumschule, hatte zunächst den geforderten Unterhalt gezahlt, reduzierte jedoch später die Zahlungen. Die Klägerin argumentierte, dass eine Einigung über die Unterhaltsbeträge erzielt worden sei, während der Beklagte dies bestritt.

Die Entscheidung des BGH

Der BGH hob das Urteil des Oberlandesgerichts Dresden auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Das Gericht stellte fest, dass ein außergerichtlicher Unterhaltsvergleich zwischen den Parteien zustande gekommen sei. Dieser Vergleich sei jedoch nicht unter der Bedingung gestanden, dass die Ehe fortgesetzt werde, wie das Oberlandesgericht angenommen hatte. Besonders hervorzuheben ist die Entscheidung des BGH zur Berücksichtigung von Investitionszulagen und Sonderabschreibungen. Der BGH stellte klar, dass solche steuerlichen Vorteile nicht das unterhaltsrechtlich relevante
Einkommen mindern dürfen, da sie nicht den tatsächlichen Wertverzehr widerspiegeln. Vielmehr sei das Einkommen fiktiv linear abzuschreiben, um die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen korrekt zu
erfassen.

Auswirkungen und Bedeutung

Dieses Urteil könnte für viele Selbständige von Bedeutung sein, die sich in ähnlichen Unterhaltssituationen befinden. Es verdeutlicht, dass steuerliche Vorteile nicht automatisch zu einer Reduzierung der Unterhaltsverpflichtungen führen dürfen. Vielmehr muss das tatsächliche Einkommen unter Berücksichtigung realistischer Abschreibungen ermittelt werden.

Das Urteil zeigt auch, wie wichtig eine klare und eindeutige Formulierung von Unterhaltsvereinbarungen ist, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Die Entscheidung des BGH könnte somit als Präzedenzfall für zukünftige Unterhaltsstreitigkeiten dienen und die Rechtsprechung in diesem Bereich nachhaltig beeinflussen.

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